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Ein Traum von einem Tisch

In der Tischlerwerkstatt von Karsten Schillings wird ein ganz besonderer Möbeltraum verwirklicht.

Wenn Gutes besser wird, dann wird es perfekt – so auch der Tisch aus historischem Eichenholz, der in der Werkstatt von Karsten Schillings entstanden ist. Den hat der Tischler aus Münster aber nicht für einen Kunden angefertigt. Vielmehr hat sein Kunde Alexander Wirzbach unter Anleitung seinen Möbeltraum eigenhändig verwirklicht.

Text: JAN ZAWADIL     

Zum Original-Artikel: www.festool.de/blog/work/tisch-historisches-eichenholz

Die Kreissäge heult auf. Mühelos frisst sich das Sägeblatt durch das Holz. Zerkleinert Zentimeter für Zentimeter dessen Fasern und wirbelt einen feinen Sägemehlnebel in die Luft, der im einfallenden Sonnenlicht glitzert. So magisch dieser Moment ist – Alexander Wirzbach bekommt davon nur wenig mit. Den Akademiker und Manager schottet sein Gehörschutz von der Außenwelt ab, zudem ist er hochkonzentriert und hat nur eines im Blick: die Holzbohle, die er in diesem Moment immer weiter durch die Kreissäge schiebt. Als die Säge stoppt, ist klar: Der erste Schnitt ist geschafft. Alexander Wirzbach ist glücklich. Man sieht ihm an, dass er stolz auf sich ist und es auch sein kann. Schließlich kannte er Möbel bislang nur vom Daraufsitzen oder als stille Alltagsbegleiter, die ihren Zweck erfüllen. Dass er irgendwann mal selbst an einer Kreissäge stehen und sich den Traum vom eigenen Stück erfüllen würde, hätte er bis vor kurzem nicht gedacht.

Das wird eine runde Sache

Weil der erste Schnitt aber gut geworden ist, folgen schnell der zweite, der dritte und der vierte. Alexander Wirzbach wird immer sicherer im Umgang mit dem Holz. Hat schnell den Dreh raus, wie und wo er Druck erzeugen oder Zug ausüben muss, fährt nach jedem Arbeitsgang mit der Handfläche über die Schnittkanten und fühlt förmlich: Das wird eine gute Sache. Nachdem er die Kreissäge abgeschaltet hat und das Sägeblatt an Umdrehungen verliert, liegen 80 Millimeter starke, besäumte und grob zugeschnittene Holzbohlen vor ihm. Nicht nur er, auch Tischler Karsten Schillings ist mit dem bisher Geschafften zufrieden. Denn trotz des wachsamen Auges, das der Profi auf jeden seiner Workshop-Teilnehmer hat, freut er sich vor allem immer mit ihnen, wenn eine Etappe in Richtung Ziel gemeistert ist.

Ein langes Workshop Wochenende beginnt

Im Fall von Alexander Wirzbach heißt dieses Ziel übrigens Esstisch – und zwar ein richtiger Esstisch: 2,80 Meter lang und 1,20 Meter breit soll er werden. Und mit seiner 7 Zentimeter starken Tischplatte wird er insgesamt 76 Zentimeter hoch, damit auch Stühle mit Lehne problemlos druntergeschoben werden können. Weil das Workshop-Wochenende kurz und noch viel zu tun ist, geht es direkt wieder an die Arbeit. Genauer gesagt, ans Rührwerk: Die Standfüße aus Sichtbeton müssen gegossen werden. Tischler Karsten Schillings hat sich für ein schnellbindendes Gemisch entschieden.

Holz trifft Beton

Die Verschalungen aus Siebdruckplatten werden mit dem Festool Akkuschrauber C18 und T18+3 zusammengesetzt. Kraftvoll und flott geht das. Anschließend noch mit Kanthölzern und Schraubzwingen verstärkt, wird der Beton eingefüllt und die 50 Zentimeter langen Gewindestangen werden in das noch weiche Gebinde eingesetzt. In regelmäßigen Abständen sind Muttern als „Anker“ auf die Gewindestangen geschraubt, sie müssen später bombenfest sitzen, da sie die Standfüße mit der Kopplungsplatte an der Unterseite der Tischplatte verbinden und nicht nur für Halt, sondern auch für Stabilität sorgen. Neben der festen Verbindung von Füßen und Platte sorgt die stabile, 12 Millimeter dicke Kopplungsplatte dafür, dass sich die massive Tischplatte später nicht verziehen kann.

Ein Esstisch ... aber nicht irgendein Esstisch

Dass es an diesem Wochenende so viel zu tun gibt und der Esstisch so stattliche Maße erhält, geht auf den Wunsch von Alexander Wirzbach zurück. Lange, fast zu lange, hatten er und seine Frau einen passenden Tisch gesucht und waren nie fündig geworden. Und bei denen, die eventuell infrage gekommen wären, hat immer das gewisse Etwas gefehlt. Ein glücklicher Zufall brachte den Manager aus Mannheim und den Tischler aus Münster zusammen. Schillings hatte in Wirzbachs Nachbarschaft einen Auftrag realisiert und wurde weiterempfohlen. Schnell gab eins das andere. Schillings merkte dann auch bald, dass sein künftiger Kunde auf der Suche nach etwas Besonderem war, und machte einen Vorschlag: Ein aus historischem Holz gefertigter Esstisch. Ein Tisch, an dem man Geschichten erzählt, der selbst Geschichte ist und dessen Entstehung ebenfalls seine ganz eigene Geschichte hat – und das alles in moderner Form und selbst gebaut. Diese Idee traf bei Alexander Wirzbach einen Nerv.

Eine Reise in die Vergangenheit

Zurück in seiner Tischlerei in Münster, machte sich Karsten Schillings deshalb gleich auf die Suche nach dem geeigneten Material. Im rund 20 Kilometer entfernten Greven wurde er bei seinem Kollegen Markus Holtmann fündig: Dessen „History Wood“ stammt von zwei- bis dreihundert Jahre alten Fachwerkhäusern und Scheunen und ist teilweise sogar noch älter, wurden Balken aus zurück- oder umgebauten Gebäuden doch auch schon in früheren Jahrhunderten wiederverwendet. Kurzerhand schickte Schillings Muster des infrage kommenden Holzes an seinen Kunden. Eine Vorauswahl musste getroffen werden, da die Struktur des historischen Holzes sehr stark variieren kann und mal mehr, mal weniger Stemmlöcher oder andere Gebrauchsspuren vorhanden sind. Die Endauswahl traf Alexander Wirzbach nach seiner Ankunft in der Tischlerei Holtmann – ein spannender Prozess, der zwei Stunden in Anspruch nahm. Im Vorfeld hatte das Holz bereits die Vakuumtrocknung durchlaufen, die eine Restfeuchte von 8 Prozent im Holz erzeugt. Diese Restfeuchte ist an die Luftfeuchte in modernen Gebäuden angepasst, damit das Holz später weniger arbeitet und sich nicht mehr verzieht.

Der letzte Schliff

Nach vier Arbeitstagen ist es geschafft. Der Tisch ist (fast) fertig. Leider kann Alexander Wirzbach das Finish nicht selbst ausführen und auch nicht dabei sein. Denn das Verfüllen der Risse im jahrhundertealten Holz mit Epoxidharz sowie die dazugehörigen Trocknungszeiten ziehen sich schlicht zu lange hin. Doch nachdem sein Kollege Markus Holtmann mit dem Harz sehr gute Arbeit geleistet hat, übernimmt Karsten Schillings mit einem Mitarbeiter sowie einem Auszubildenden den allerletzten Schliff mit dem ETS EC 150 Exzenterschleifer. Mit einer 320er Körnung verleihen sie dem Epoxidharz einen wunderschönen Glanz und achten gleichzeitig darauf, das historische Eichenholz nicht zu polieren. Abschließend wird die gesamte Oberfläche mit Festool Naturöl eingelassen.

„150 Kilo die Tischplatte, 150 Kilo pro Beton-Standfuß“

Obwohl Alexander Wirzbach bei den letzten Arbeitsschritten nicht dabei ist, ist er mit dem Ergebnis überglücklich. Schließlich haben er und Karsten Schillings nicht nur irgendein Möbel gebaut, sondern einen modernen Esstisch mit Geschichte und ganz eigenen Wesenszügen geschaffen. Dass das einem übrigens ganz schön den Schweiß auf die Stirn treiben kann, wird auch bei der Auslieferung deutlich: „150 Kilo die Tischplatte, 150 Kilo pro Beton-Standfuß“, schätzt Schillings das Gewicht. Und das heißt pro Bauteil „vier Ecken und vier Mann“ und jede Menge Muskelkraft, bis der Tisch dort ist, wo er stehen soll. Dass der Esstisch etwas ganz Besonderes ist, merkt Alexander Wirzbach jetzt aber jeden Tag und erinnert sich jedes Mal, wenn er mit der Hand über die Tischplatte streicht, dass er anfangs niemals gedacht hätte, so etwas Tolles selbst bauen zu können.

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